Beim Gipfeltreffen in Washington haben die Nato-Staaten den Start eines Einsatzzentrums zur Koordinierung von Waffenlieferungen und der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Europa verkündet. Das Hauptquartier dafür soll in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden entstehen. 

"Ziel ist es, die Sicherheitsunterstützung für die Ukraine auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen und somit eine verbesserte, vorhersehbare und kohärente Unterstützung zu gewährleisten", heißt es in der Gipfelerklärung zu dem neuen Kommando. 

Die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten wurde bislang federführend von den Vereinigten Staaten wahrgenommen. Diese hatten dafür Ende 2022 im Europahauptquartier der US-Streitkräfte im hessischen Wiesbaden eine rund 300 Soldaten starke Einheit mit dem Namen Security Assistance Group-Ukraine (SAG-U) aufgebaut. Für die Nato sollen nun sogar rund 700 Mitarbeitende im Einsatz sein, Deutschland will davon bis zu 40 Mitarbeiter stellen, darunter auch einen Zwei-Sterne-General als stellvertretenden Kommandeur.

Absicherung gegen Trump-Präsidentschaft

Das Nato-Projekt gilt auch als Vorkehrung für den Fall einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt ab Januar 2025. Äußerungen des Republikaners hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die Ukraine unter seiner Führung weiter so wie bisher im Abwehrkrieg gegen Russland unterstützen werden. Im Bündnis wird befürchtet, dass von einem politischen Kurswechsel in Washington auch die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte betroffen sein könnte.

Nicht beteiligen wird sich an dem Einsatz lediglich Ungarn. Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán befürchtet, dass das Bündnis durch das Kommando mit dem Namen NSATU (Nato Security Assistance and Training for Ukraine) in eine direkte Konfrontation mit Russland getrieben werden könnte. In der Gipfelerklärung heißt es dazu: "Die NSATU wird im völkerrechtlichen Sinne keine Konfliktpartei aus der Nato machen."

Hilfszusagen in Höhe von 40 Milliarden Euro

Das Militärbündnis sagte der Ukraine zudem weitere Unterstützung von mindestens "40 Milliarden Euro innerhalb des nächsten Jahres" zu. Angerechnet werden dabei alle Mittel ab dem 1. Januar 2024. Deutschland hat für das laufende Jahr bereits acht Milliarden Euro zugesagt und sein Soll daher vorerst erfüllt. 

Eine Beitrittseinladung an die Ukraine sprachen die Verbündeten zwar nicht aus, sie sehen das Land laut ihrer Gipfelerklärung aber auf einem "unumkehrbaren Weg" zu einer Mitgliedschaft. Scharfe Kritik übten die Verbündeten an China wegen seiner Unterstützung für Russland.

China reagierte mit deutlicher Kritik an dem Entwurf für die Abschlusserklärung. Dieser sei voll von "aggressiver Rhetorik" und der China betreffende Inhalt enthalte Provokationen, "Lügen, Aufwiegelung und Verleumdung", sagte ein Sprecher der chinesischen Mission bei der Europäischen Union (EU). In dem Kommuniqué-Entwurf heißt es, China habe entscheidend zur Kriegsführung Russlands in der Ukraine beigetragen. Der chinesische Vertreter wies diese Vorwürfe entschieden zurück: "Wie wir alle wissen, hat China die Krise in der Ukraine nicht verursacht." Die Äußerungen der Nato dürften die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen China und dem transatlantischen Verteidigungsbündnis weiter belasten.

Am Rande des Gipfels nahm Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Stellung zur Kritik des früheren US-Präsidenten Donald Trump. Reporter befragten den Norweger zu der Möglichkeit, dass der Republikaner und Nato-Kritiker Trump dem Militärbündnis im Falle seines Siegs bei der Präsidentschaftswahl im November die Unterstützung entziehen könnte. Ohne Trump beim Namen zu nennen, antwortete Stoltenberg, die Kritik aus den USA gelte nicht der Nato selbst, sondern Nato-Mitgliedern, die nicht genug in das Militärbündnis investierten. "Und das hat sich geändert."

Trump hatte am Dienstag im Wahlkampf seine Drohung erneuert, Nato-Mitglieder nicht gegen einen russischen Angriff zu verteidigen, sollten sie nicht das Ausgabenziel der Nato erreichen, mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufzuwenden. Seit dem Jahr 2021 hat die Zahl der Nato-Staaten, die dieses Ziel erfüllen, von sechs auf 23 zugenommen. "Die USA wurden verstanden", sagte Stoltenberg. "Die Verbündeten haben gehandelt."

Trump wurde unterdessen mehrfach von Fox News Radio gefragt, ob er einen Nato-Austritt der USA anstrebe. "Nein, ich will, dass sie ihre Rechnungen bezahlen", antwortete er.