Emmanuel Macron hat sich erstmals zum Ergebnis der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich geäußert. "Niemand hat sie gewonnen", schrieb der Präsident in einem Brief an die Französinnen und Franzosen. Eine absolute Mehrheit hätten allenfalls die "republikanischen Kräfte". Macron forderte "alle politischen Kräfte, die die republikanischen Institutionen, den Rechtsstaat (…) und eine proeuropäische Position anerkennen", dazu auf, eine Mehrheit zu finden. Die Franzosen hätten sich für eine "republikanische Front" entschieden, diese müsse nun konkretisiert werden.

Eine "republikanische Front" bedeutete in Frankreich bisher, dass linke und rechte Kräfte gemeinsam einen Wahlsieg von Rechtspopulisten verhindern, etwa durch den taktischen Rückzug von Kandidaten.

"Im Lichte dieser Prinzipien werde ich über die Ernennung des Premierministers entscheiden", schrieb Macron. Damit erteilte er dem Linksbündnis indirekt eine Absage. Als größtes Lager erheben die Linken jedoch den Anspruch, einen Kandidaten zu benennen. In der kommenden Woche soll dieser vorgeschlagen werden.

Republikaner lehnen breites Bündnis ab

Innenminister Gérald Darmanin und andere Abgeordneten sprachen sich ähnlich wie Macron für ein breites Bündnis aus. Der Fraktionschef der konservativen Republikaner, Laurent Wauquiez, lehnte dies allerdings ab. Das linke Wahlbündnis Neue Volksfront, in dem die von der Regierung abgelehnten Linkspopulisten die größte Gruppe bilden, hält bisher zusammen.

Kritik aus dem linken Lager kam prompt. Macron "weigert sich, das Ergebnis der Wahlurnen anzuerkennen", sagte der Chef der linkspopulistischen La France insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, den viele Politiker der Konservativen und aus dem Macron-Lager als Koalitionspartner strikt ablehnen.

Grünenchefin Marine Tondelier, deren Partei ebenfalls Teil des linksgrünen Bündnisses Neue Volksfront (NFP) ist, sagte, die "institutionelle Logik verlangt, die Chefs der NFP vorzuladen", damit diese einen Premierminister vorschlügen. Der Chef des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, nannte Macrons Botschaft "verantwortungslos". Diese sei zu lesen als "seht selbst, wie ihr zurechtkommt".

Bis zum 18. Juli können sich die Abgeordneten in Fraktionen zusammenschließen, die allerdings nicht unbedingt den Bündnissen vor der Wahl entsprechen. Dazu müssen sich mindestens 15 Abgeordnete zusammenfinden. 

Macron bleibt geschäftsführend im Amt

Die aktuelle Regierung bleibe vorerst geschäftsführend im Amt, sagte Macron. Nach dem Erfolg der Rechtspopulisten bei der Europawahl am 9. Juni hatte Macron die Parlamentswahl in Frankreich ausgerufen.

In der Zwischenzeit trafen erstmals die neu gewählten Abgeordneten des Rassemblement National (RN) in der Nationalversammlung zusammen. Die bisherige Fraktionschefin Marine Le Pen wurde erneut in dieses Amt gewählt. Ihre Fraktion umfasst nun mindestens 123 Abgeordnete und damit deutlich mehr als die 88 vor der Auflösung der Nationalversammlung.