Schweden macht es, die Niederlande auch, Spanien und Portugal sowieso. In all diesen Ländern, und noch vielen anderen, erhalten ausländische Fachkräfte in den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit Steuervorteile. Und die soll es nun auch in Deutschland geben, so hat es die Koalition in ihrer Grundsatzeinigung zum Haushalt 2025 beschlossen. Konkret heißt das: Neu zugewanderte Fachkräfte sollen in den ersten drei Jahren zunächst 30, dann 20 und zuletzt 10 Prozent ihres Bruttolohns steuerfrei erhalten.

Die Idee kommt bei vielen nicht gut an, selbst innerhalb der Koalition. Wenn ausländische Fachkräfte zumindest zeitweise weniger Steuern zahlen als deutsche Arbeitnehmer, könne das für "gesellschaftlichen Zündstoff" sorgen, fürchtet Yasmin Fahimi (SPD), Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie ist damit nicht allein: Auch Julia Klöckner (CDU), wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, spricht von "Inländer-Diskriminierung" und fürchtet, es würden "Arbeiter erster und zweiter Klasse" geschaffen. 

Zu glauben, dass ausländische Fachkräfte übervorteilt wären, wenn man ihnen für kurze Zeit die Steuern senkt, ist zu kurz gedacht. Denn von Fachkräften aus dem Ausland profitieren auch deutsche Angestellte. Im Jahr 2023 gab es rund 570.000 offene Stellen, für die keine passend qualifizierten Arbeitssuchenden zur Verfügung standen. Die Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, merken den Mangel jeden Tag. Sie müssen das fehlende Personal mit ihrer Arbeit ausgleichen. Fachkräfte aus dem Ausland würden ihnen den Alltag erleichtern.  

Man sollte es diesen Menschen also so schmackhaft wie möglich machen, nach Deutschland zu kommen. Steuererleichterungen in Aussicht zu stellen, ist richtig – und reicht lange nicht aus. Die Regierung macht es sich mit diesem Vorschlag zu leicht. Es gibt andere Gründe, warum etliche ausländische Fachkräfte nicht hier leben wollen. Zwar ist das Interesse an Deutschland noch da. Noch immer gilt das Land vielen als sicher, mit guten beruflichen Aussichten und niedrigen Bildungskosten. Doch in einer OECD-Studie, die regelmäßig untersucht, wie attraktiv Länder für qualifizierte Migranten sind, ist Deutschland zuletzt abgefallen (PDF). 

Langes Warten, abschätzige Blicke

Die Hauptgründe dafür: die zögerliche Einbürgerungspraxis und die schleppende Digitalisierung. Wer in Deutschland arbeiten möchte, muss häufig viele Wochen, manchmal Monate auf Termine für die Visumserteilung warten. Einige Menschen zahlen teils hohe Gebühren, damit ihre Berufsabschlüsse anerkannt werden.

Und sie schlagen sich mit überlasteten Mitarbeitern in der Ausländerbehörde herum, die häufig kein Englisch sprechen können oder wollen. All das führt dazu, dass viele interessierte Fachkräfte gar nicht erst dazu kommen, einen deutschen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen – egal wie viel Steuern sie schließlich zahlen müssten.   

Dazu kommt: Viele Fachkräfte aus dem Ausland fühlen sich hier nicht willkommen. In einer weiteren OECD-Studie berichten mehr als die Hälfte der befragten Fachkräfte, die nach Deutschland eingereist sind, von Diskriminierungserfahrungen. Auch im Rassismusmonitor 2022 kann man nachlesen, welch unangenehme Erfahrungen jede zweite Schwarze Person in der Arbeitswelt, bei Ärzten oder der Wohnungssuche machen musste.  

Da wirkt die geplante Steuererleichterung höchstens wie ein Schmerzensgeld für all das Warten, die abschätzigen Blicke und Kommentare, die unbeantworteten Mails, Briefe und Faxe, die hoch qualifizierte Leute in Kauf genommen haben, um hier arbeiten zu dürfen.