Die Reise ins Ich hieß ein Science-Fiction-Streifen aus dem Jahr 1987. Die Hauptrolle spielte Dennis Quaid, doch der Star der Komödie war ein extrem miniaturisiertes U-Boot: Mit dem konnten die ebenfalls miniaturisierten Protagonisten in die menschliche Blutbahn abtauchen. Ein Traum für medizinische Forscher und Forscherinnen, könnte man doch mit einem solch winzigen Fahrzeug Körperregionen gezielt ansteuern und erkunden.

Nun scheint die Kino-Fantasterei Wirklichkeit zu werden. In der Fachzeitschrift Science Roboticsstellten Ingenieure der University of California San Diego einen sogenannten Biohybrid-Mikro-Roboter für den Einsatz gegen chronisch entzündliche Darmerkrankungen vor. Allein in Deutschland leiden schätzungsweise zwei Millionen Menschen an autoimmunen Darmentzündungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Folge: Blutungen, Durchfälle und Gewichtsverlust. Eine Therapie ist oft schwierig und nebenwirkungsreich. Viele Betroffene erhalten Cortison-Präparate, die im ganzen Körper den Stoffwechsel durcheinanderbringen und das Immunsystem massiv dämpfen.

Mithilfe der Mikroroboter sollen solche Entzündungen künftig sehr viel gezielter bekämpft werden. Die Bots bestehen aus grünen Algen, die mit winzigen Nanopartikeln kombiniert werden. Letztere sind mit Membranen überzogen, wie sie auch in menschlichen Makrophagen vorkommen. Makrophagen, das sind jene Immunzellen, die im Darm die Produktion von Entzündungsbotenstoffen ("Zytokinen") ankurbeln und so maßgeblich eine Entzündung befeuern.

Durch eine Kapsel vor der Magensäure geschützt, gelangen die winzigen Konstrukte an ihren Zielort, den Darm, wo sich die Kapsel auflöst. Wie Köder sollen die Membran-Nanopartikel dort unkontrolliert ausgeschüttete Zytokine abfangen und neutralisieren. So wird der zerstörerische Entzündungskreislauf unterbrochen. Weil die Algen sich selbst fortbewegen können, verteilen sie sich optimal an den entzündeten Darmwänden. Außerdem sind sie genau wie die Nanopartikel biologisch abbaubar. "Das Schöne an diesem Ansatz ist, dass wir ohne Medikamente auskommen", schreibt der Ingenieur Liangfang Zhang aus San Diego. "Wir nutzen einfach natürliche Zellmembrane, um Zytokine zu absorbieren und zu neutralisieren." Allerdings funktioniert die ganze Hightechtherapie bislang nur im Versuch an Mäusen. Bei ihnen aber wirkte die Therapie erkennbar: kein Darmbluten mehr, sie nahmen an Gewicht zu.

Die kalifornische Erfindung ist kein Einzelfall. Weltweit arbeiten Fachleute an Biohybrid-Robotern – unter anderem auch am Max-Planck-Institut (MPI) für intelligente Systeme in Stuttgart. Mal werden Nanopartikel bestückt mit Membranen von Makrophagen, ein anderes Mal mit weißen und roten Blutzellen. Zum Antrieb werden sie mit Algen kombiniert oder mit beweglichen Bakterien oder sogar mit Spermien. Die Wissenschaftler sprechen auch von click chemistry, Chemie zum Zusammenklicken. Es ist ein modularer Baukasten, mit dem sich einfach Konstrukte für neue Ziele basteln lassen.

So wurden zum Beispiel im Tierversuch auch schon bakterielle Lungenentzündungen mithilfe von Algen-Robotern bekämpft. Dabei erwiesen sich die Bots als erfolgreicher als die üblichen Injektionen mit Antibiotika. Ebenso wurde die click chemistry gegen Metastasen in der Lunge erprobt: Dazu wurden grüne Algen mit Nanopartikeln kombiniert, denen ein Chemotherapeutikum anhaftete und die mit Zellhüllen von roten Blutkörperchen überzogen waren. Im Mäuseversuch zeigte sich, dass diese Mikroroboter tatsächlich die Lungenmetastasen erreichen und diese schrumpfen lassen. Die Tiere überlebten dank der zielgenauen Therapie schon bei geringer Dosis deutlich länger.

Das alles klingt, als werde jetzt Science Fiction wahr. Doch von einer Anwendung beim Menschen, sagt die Biochemikerin Birgül Akolpoglu vom MPI, sei man noch weit entfernt.