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Misinformation Monitor: Juni 2023

Hinweis der Redaktion: Seit Februar 2024 veröffentlicht NewsGuard statt dem Misinformation Monitor nun Reality Check, einem englischen wöchentlichen Newsletter über Fehlinformationen und Nachrichtenmedien im Internet. Erfahren Sie mehr und abonnieren Sie ihn hier auf Substack.

Einige der UKIN, auf denen Anzeigen von bekannten Marken angezeigt wurden, verwendeten anscheinend KI-Tools, um Artikel von etablierten Medien umzuschreiben, oft ohne Quellenangabe. So erschienen beispielsweise Anzeigen für eine US-amerikanische Wohnungssuch-Webseite, eine globale E-Commerce-Webseite, einen japanischen Bürodrucker und einen chinesischen Elektronikhersteller neben einem Artikel, der von UKIN AlaskaCommons.com veröffentlicht wurde. Dabei handelte es sich offenbar um eine durch KI umgeschriebene Version eines Artikels, der ursprünglich von der US-Ausgabe des britischen Boulevardblatts The Sun veröffentlicht wurde. Der Artikel enthielt die gleichen Bilder und ähnliche Formulierungen. Gegen Ende des AlaskaCommons.com-Artikels schrieb die Webseite “How to Get Free Bets on Football” (“Wie man kostenlose Fußballwetten bekommt”) ⁠— die gleiche Zwischenüberschrift wie in dem The Sun Artikel. Im Absatz darunter fand sich die folgende KI-Fehlermeldung: “Als KI-Sprachmodell kann ich keine Informationen über Gratiswetten auf Fußball geben. Bitte wenden Sie sich für weitere Informationen an vertrauenswürdige Nachrichtenquellen oder Webseiten für Wetten.”  Die Sun hat nicht auf zwei E-Mails von NewsGuard geantwortet, die im Juni 2023 gesendet wurden und in denen gefragt wurde, ob AlaskaCommons.com berechtigt war, Inhalte von ihrer Website zu kopieren.

Auch in diesen Fällen ist es für die Marken, deren Anzeigen neben diesen minderwertigen oder offensichtlich plagiierten Inhalten erscheinen, nicht ohne weiteres möglich zu erkennen, dass sie diese Webseiten unterstützen.

Die meisten Anzeigen wurden den Analyst:innen von NewsGuard auf KI-generierten Webseiten angezeigt, die zwar von geringer Qualität sind, aber keine Fehlinformationen verbreiten. NewsGuard fand allerdings auch Werbung für zwei US-amerikanische Streaming-Videodienste, ein Unternehmen für Bürobedarf, einen japanischen Autohersteller, eine weltweit tätige Bank mit Sitz in New York, einen Anbieter von Heimtierbedarf, ein Online-Shop für Nahrungsergänzungsmittel, ein Diätunternehmen und einen Staubsaugerhersteller auf MedicalOutline.com. Diese UKIN wirbt regelmäßig für unbewiesene und potenziell schädliche Naturheilmittel – mit Schlagzeilen wie “Kann Zitrone Hautallergien heilen?”, “Was sind 5 natürliche Heilmittel für ADHS?” und “Wie kann man Krebs auf natürliche Weise vorbeugen?”.

 

Das Ad-Tech-Unternehmen, das primär hinter der UKIN-Maschine steht: Google

Gemäß den Werberichtlinien von Google dürfen Webseiten “Google-Anzeigen nicht auf Seiten platzieren”, die “spam-ähnliche automatisch generierte Inhalte” enthalten. Darunter versteht Google unter anderem “Inhalte, die programmatisch generiert wurden, ohne Originalität vorzuweisen oder ausreichend Mehrwert zu bieten”.

Dennoch wurden, wie oben erwähnt, über 90 Prozent der von NewsGuard auf den UKINs identifizierten Anzeigen von Google Ads geschaltet. NewsGuard schickte vier E-Mails an Google und bat um eine Stellungnahme zur Monetarisierung von UKIN. Nach Erhalt der Anfrage bat ein Google-Sprecher NewsGuard per E-Mail um weitere Informationen, der NewsGuard nachkam. Bis zum 25. Juni 2023 hatte NewsGuard jedoch noch keine Antwort erhalten.

Einige der UKIN, auf denen Werbeanzeigen großer Marken gefunden wurden, veröffentlichen – scheinbar mit Hilfe eines Chatbots – Hunderte von Artikeln pro Tag. (Es ist allerdings oft schwierig zu erkennen, ob ein Artikel mit KI geschrieben wurde, wenn er keine der in KI-generierten Texten häufig vorkommenden Fehlermeldungen enthält.)

Beispielsweise veröffentlichte UKIN World-Today-News.com (eine Nachrichten- und Lifestyle-Webseite) in der Woche vom 9. Juni 2023 bis zum 15. Juni 2023 im Durchschnitt etwa 8.600 Artikel ⁠— also rund 1.200 pro Tag. Im Vergleich dazu veröffentlicht die New York Times laut einer in April 2022 veröffentlichten Q&A-Session typischerweise lediglich 150 Artikel pro Tag. Auf World-Today-News.com fand NewsGuard programmatische Anzeigen für eine in den USA ansässige Fluggesellschaft, einen E-Commerce-Marktplatz und ein US-amerikanisches Kaufhaus, die keine Verfasserangaben enthält und keine Informationen über ihre redaktionelle Leitung preisgibt. Die zuvor erwähnte Seite AlaskaCommons.com und eine andere UKIN, Time.news, veröffentlichten während des gleichen Zeitraums jeweils 5.867 und 6.108 Artikel.

Während Time.news keine Autorennamen angibt, werden die Artikel auf AlaskaCommons.com regelmäßig einer Reihe von scheinbar unechten Autorenprofilen zugeschrieben. “Ingrid Taylor”, einer der Namen, die AlaskaCommons.com häufig als Autorennamen für seine Artikel angibt, hat seit Beginn dieses Jahres 4.364 Artikel veröffentlicht, darunter 108 allein am 15. Juni 2023. NewsGuard fand auf AlaskaCommons.com Anzeigen für eine US-Wohnungsvermietungsseite, eine globale E-Commerce-Seite, einen japanischen Bürodrucker und einen chinesischen Elektronikhersteller sowie auf Time.news Anzeigen für zwei große US-Banken, einen Online-Musikdienst, ein Sportbekleidungsunternehmen und ein Medienunternehmen aus dem Silicon Valley.

Andere UKIN enthielten bis zu einem Dutzend oder mehr Anzeigenflächen in Artikeln mit KI-Fehlermeldungen. Diese Widgets sind Codefragmente, die Entwickler:innen auf ihrer Webseite platzieren können, um programmatische Werbung zu schalten. Google scheint keine Begrenzung für die Anzahl der Anzeigenflächen zu haben, die eine Webseite auf einer bestimmten Seite platzieren kann, wie aus dem Hilfebereich der Webseite des Unternehmens hervorgeht. 

Ein KI-generierter Artikel mit einer Chatbot-Fehlermeldung auf der UKIN FoodingWorld.com ( einer Webseite, die die Geschichte und die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln erklärt) enthielt 15 Google Ads-Anzeigenwidgets. Die auf der Webseite geschalteten Anzeigen stammten von Marken wie einer globalen Autovermietungskette, einer US-amerikanischen Bank, einem Matratzenhändler und einem E-Commerce-Unternehmen.

Anzeigen für einen globalen Autovermieter erschienen auf FoodingWorld.com, einer UKIN, die KI-generierte Artikel über Lebensmittel veröffentlicht. NewsGuard hat die programmatische Anzeige mit einem schwarzen Kasten verdeckt. (Screenshot von NewsGuard)

Für UKIN ist es, wie für jede andere Webseite auch, einfach, ihre Inhalte schnell zu monetarisieren. Auf der Homepage für Google AdSense, dem Produktnamen der von Google an Publisher bereitgestellten Anzeigenwidgets, wirbt Google damit, wie einfach es ist, programmatische Werbeeinnahmen zu erzielen: “Man fügt einfach den AdSense-Code auf der Webseite ein und dann läuft alles von allein.”

Seit dem Beginn der Erfassung der UKIN im Mai 2023 hat NewsGuard etwa 25 neue Webseiten pro Woche gefunden. Die Gesamtzahl ist wahrscheinlich höher als die derzeit von NewsGuard identifizierten 217 Webseiten, da NewsGuard in der Regel nur dann neue UKIN finden kann, wenn diese Artikel mit Fehlermeldungen des KI-Sprachmodells veröffentlicht haben.

NewsGuard hat 40 der 141 im Rahmen dieser Recherche gefundenen Marken kontaktiert und sie gefragt, ob ihnen bewusst ist, dass ihre Anzeigen auf Webseiten mit unzuverlässigen KI-generierten Nachrichten geschaltet werden. Vier Marken antworteten, lehnten aber eine Stellungnahme ab.

NewsGuard schickte E-Mails an vier der sechs in diesem Bericht erwähnten UKIN und erkundigte sich nach deren Einsatz von KI und den KI-Fehlermeldungen, die NewsGuard in veröffentlichten Artikeln fand. Keine der Webseiten hat daraufhin geantwortet. Für die beiden anderen UKIN, NoticiasDeEmprego.com.br und AlaskaCommons.com, konnte NewsGuard keine Kontaktinformationen ermitteln.

Hinweis: NewsGuard stellt seine Bewertungen von 30.000 Nachrichten- und Informationsquellen – darunter mehr als 8.500 Webseiten – zur Lizenzierung zu Verfügung, um Marken zu helfen, die unbeabsichtigte Platzierung von programmatischer Werbung auf Webseiten mit Falschinformationen zu vermeiden. Die Ausschlusslisten von NewsGuard werden von Werbetreibenden, Werbeagenturen und Ad-Tech-Unternehmen verwendet, um Webseiten von der automatisierten Werbeplatzierung auszuschließen. Die Einschlusslisten von NewsGuard werden ergänzend verwendet, um Anzeigen auf allgemein vertrauenswürdigen Webseiten zu platzieren und so Qualitätsjournalismus zu unterstützen.

 

Methodik:

Im Mai und Juni 2023 haben NewsGuards Analyst:innen in den USA, Deutschland, Frankreich und Italien 55 Webseiten untersucht, auf denen programmatische Werbung geschaltet wird und die NewsGuards Kriterien für unzuverlässige, KI-generierte Nachrichten erfüllen (siehe unten). Die Analyst:innen verwendeten verschiedene Browser, den privaten Browsing-Modus und Virtual Private Networks (VPN), ein Tool, mit dem Nutzer:innen im Internet surfen können, als wären sie in einem anderen Land. Dabei erstellten sie fortlaufend Screenshots ihrer Ergebnisse. In diesem Bericht wurden nur Anzeigen von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 500 Millionen US-Dollar [etwa 457 Millionen Euro] oder mehr berücksichtigt.

NewsGuard stuft eine Webseite als unzuverlässige, KI-generierte Nachrichtenseite (UKIN) ein, wenn sie alle vier dieser Kriterien erfüllt:

  1. Es gibt eindeutige Belege dafür, dass ein wesentlicher Teil der Webseite von KI erstellt wird.
  2. Ebenso wichtig ist, dass es deutliche Hinweise darauf gibt, dass Inhalte ohne nennenswerte menschliche Kontrolle veröffentlicht werden. Beispielsweise könnten zahlreiche Artikel Fehlermeldungen oder andere spezifische Chatbot-Formulierungen enthalten, die darauf hindeuten, dass die Inhalte von KI-Tools ohne angemessene Bearbeitung erstellt wurden. (Es ist davon auszugehen, dass jetzt oder in Zukunft viele Nachrichtenseiten KI-Tools verwenden werden, die dies jedoch mithilfe effektiver menschlicher Kontrolle tun. Diese Seiten werden nicht als UKIN eingestuft).
  3. Die Webseite ist so gestaltet, dass Leser:innen denken könnten, der Inhalt sei von Autor:innen oder Journalist:innen erstellt worden. Das liegt daran, dass die Webseite ein Layout, einen generischen Namen oder andere für Nachrichten- und Informationswebseiten typische Inhalte verwendet.
  4. Die Webseite weist nicht eindeutig darauf hin, dass ihr Inhalt von KI erstellt wird.
In the center, a screenshot of a 2017 video that shows the Wagner fighter, who executed a Syrian citizen with a sledgehammer. On the left and right, unidentified young men mimic the appearance of the executioner.(Screenshots via NewsGuard)