Dies ist der dritte Teil einer fortlaufenden, fünfteiligen Serie. Teil eins, die Einführung, finden Sie hier. Teil zwei, über die Zerschlagung von Ad-Tech-Unternehmen, finden Sie hier.

Die Werbetechnik-Industrie („Ad-Tech“) ist unglaublich profitabel und verdient jedes Jahr Hunderte von Milliarden Dollar mit dem Ausspionieren von uns. Diese Unternehmen haben Tentakel, die in unsere Apps, unsere Fernseher und unsere Autos sowie in die meisten Websites hineinreichen. Ihr Hunger nach unseren Daten ist unersättlich. Noch schlimmer ist, dass eine ganze Branche von Maklerunternehmen entstanden ist, die unsere Kaufdaten, unsere Standortdaten, unsere Kaufhistorie und sogar unsere medizinischen und gerichtlichen Daten zum Kauf anbieten. Diese Daten werden kontinuierlich von Ad-Tech übernommen, um sicherzustellen, dass die nicht freiwilligen Dossiers mit privaten, sensiblen und potenziell kompromittierenden Daten, die diese Unternehmen über uns zusammenstellen, so aktuell wie möglich sind.

Die kommerzielle Überwachung ist ein dreistufiger Prozess:

  1. Verfolgen: Eine Person nutzt Technologie, und diese Technologie sammelt stillschweigend Informationen darüber, wer sie ist und was sie tut. Am wichtigsten ist, dass Tracker Informationen über das Online-Verhalten sammeln, z. B. über App-Interaktionen und den Browserverlauf. Diese Informationen werden an Werbetechnologieunternehmen und Datenmakler weitergegeben.
  2. Profil: Ad-Tech-Unternehmen und Datenbroker, die diese Informationen erhalten, versuchen, sie mit dem zu verknüpfen, was sie bereits über den betreffenden Nutzer wissen. Diese Beobachter ziehen Rückschlüsse auf ihre Zielperson: was sie mag, was für ein Mensch sie ist (einschließlich demografischer Daten wie Alter und Geschlecht) und was sie möglicherweise kaufen, besuchen oder wählen möchte.
  3. Ziel: Ad-Tech-Unternehmen nutzen die Profile, die sie erstellt oder von Datenmaklern erhalten haben, um Werbung gezielt zu schalten. Über Websites, Apps, Fernsehgeräte und soziale Medien nutzen Werbetreibende Daten, um bestimmten Personen, Personengruppen oder Gruppen maßgeschneiderte Botschaften zu zeigen.

Diese Datensammlung und -verarbeitung ist die Quelle unzähliger gesellschaftlicher Schäden: Sie fördert Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Wohnungssuche, und ermuntert zum Betrug. Die Daten gelangen auch in die Hände Dritter, einschließlich des Militärs, der Strafverfolgungsbehörden und diktatorischen Regimen. Insider in großen Unternehmen nutzen die Daten zu ihrem eigenen Vorteil. Es sind diese Daten, die es Betrügern ermöglichen, anfällige Ziele zu finden und Stalkern, ihre Opfer zu verfolgen.

Unser gesamtes digitales Umfeld ist so verändert worden, dass es die Grundlage für diese Rasterüberwachung bildet. Unsere Mobilgeräte weisen uns standardmäßig Tracking-Identifikatoren zu, und diese eindeutigen Identifikatoren breiten sich im physischen und digitalen Raum aus und verfolgen uns bis ins kleinste Detail.

All dies geschieht im Namen der Förderung von Kultur und Nachrichten. Die verhaltensorientierte Werbeindustrie behauptet, dass sie durch diese Überwachung allen Beteiligten einen Mehrwert bieten kann: Werbetreibende können genau die Zielgruppe ansprechen, die sie erreichen wollen; Publisher erhalten Spitzenbeträge dafür, dass sie genau die richtigen Nutzenden mit genau der richtigen Anzeige verbinden, und die Nutzenden gewinnen, weil ihnen nur hochrelevante, auf ihre Interessen zugeschnittene Anzeigen gezeigt werden.

Natürlich weiß jede*r, der schon einmal das Internet genutzt hat, dass dies Unsinn ist. Die Werbetreibenden wissen, dass ihnen Milliarden von Dollar für Anzeigen in Rechnung gestellt werden, die nie ausgeliefert werden. Die Verleger wissen, dass Milliarden von Dollar, die sie von den Werbekunden für Anzeigen kassieren, die neben ihren Inhalten erscheinen, nie ausgeliefert werden.

Und was die Behauptung angeht, dass die Nutzer*innen „Werbung mögen, solange sie relevant ist“, so gibt es eindeutige Beweise dafür, dass dies nicht stimmt und nie der Fall war. Ad-Blocking ist der erfolgreichste Verbraucherboykott in der Geschichte der Menschheit. Als Apple den iPhone-Nutzenden die Möglichkeit gab, mit einem Klick alle Überwachungswerbung zu blockieren, klickten 96 Prozent der Nutzenden auf die Schaltfläche (die anderen vier Prozent waren vermutlich verwirrt oder arbeiten für Werbetechnologieunternehmen).

Überwachungswerbung dient niemandem außer unheimlichen Ad-Tech-Firmen; für Nutzer*innen, Verleger und Werbetreibende ist Überwachungswerbung ein schlechtes Geschäft.

Es ist an der Zeit, sie zu verbannen.

Nicht-gruselige Werbeanzeigen

Die Abschaffung der Überwachungswerbung bedeutet nicht, dass die Werbung ganz abgeschafft wird. Trotz der Rhetorik, dass „wenn Sie nicht für das Produkt bezahlen, sind Sie das Produkt“, gibt es keinen Grund zu glauben, dass der bloße Akt des Bezahlens von Produkten die Unternehmen, die diese Produkte liefern, davon überzeugen wird, Sie mit Respekt zu behandeln.

Nehmen wir John Deere-Traktoren: Landwirte zahlen Hunderttausende von Dollar für diese Maschinen, die für die Landwirtschaft unabdinglich sind. Trotzdem nimmt es sich John Deere derzeit heraus, den Kund*innen nicht zu erlauben, die Geräte selbst oder durch Dritte reparieren zu lassen. So werden John Deere Maschinen zu Waffen, die zum Nachteil der Kunden monetarisiert werden.

Man kann ein Unternehmen nicht bestechen, damit es einen mit Respekt behandelt – Unternehmen respektieren einen in dem Maße, in dem sie befürchten, ihr Geschäft zu verlieren oder reguliert zu werden. Anstatt unsere Online-Dienste zu kaufen und zu hoffen, dass dies die Führungskräfte der Technikbranche so beeindruckt, dass sie uns mit Würde behandeln, sollten wir Überwachungsanzeigen verbieten.

Wenn die Überwachungswerbung verboten wird, müssen die Werbetreibenden neue Wege finden, um die Öffentlichkeit über ihre Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Sie werden zu den Techniken zurückkehren müssen, die Werbetreibende jahrhundertelang verwendet haben, bevor die Überwachungswerbung für einen kurzen Zeitraum die Oberhand gewann: Sie werden zu kontextbezogenen Anzeigen zurückkehren müssen.

Eine kontextbezogene Anzeige wird auf der Grundlage des Kontexts, in dem sie erscheint, ausgerichtet: neben welchem Artikel oder in welcher Publikation sie erscheint. Anstatt den Nutzenden zu folgen, um sie mit Anzeigen anzusprechen, suchen kontextbezogene Werbetreibende nach Inhalten, die für ihre Botschaften relevant sind, und schalten Anzeigen neben diesen Inhalten.

In der Vergangenheit war dies ein ineffizienter Prozess, der durch die Notwendigkeit behindert wurde, relevante Inhalte zu identifizieren, bevor sie gedruckt oder ausgestrahlt wurden. Doch dieselben Echtzeitgebotssysteme, die für die Schaltung verhaltensbezogener Anzeigen verwendet werden, können auch für die Schaltung kontextbezogener Anzeigen genutzt werden.

Der Unterschied besteht darin, dass ein Verleger nicht ein Überwachungsunternehmen wie Google oder Meta bittet, einen Lesenden in seinem Namen zu versteigern, sondern dass die Verleger den Inhalt und den Kontext ihres eigenen Materials versteigern würde.

Das heißt, anstatt dass die Verleger sagen: „Was biete ich für die Aufmerksamkeit dieses 22-jährigen, männlichen Lesers, der in Portland, Oregon, lebt, wegen Opioidabhängigkeit in Behandlung ist und kürzlich nach Informationen über Gonorrhoe-Symptome gesucht hat?“, würden die Verleger sagen: „Was biete ich für die Aufmerksamkeit eines Lesers, dessen IP-Adresse sich in Portland, Oregon, befindet, der Safari auf einem neueren iPhone verwendet und der einen Artikel über Taylor Swift liest?“

Dies hat einige offensichtliche Vorteile. Das Wichtigste zuerst: Es erfordert keine Überwachung. Das ist gut für die Leser*innen und für die Gesellschaft.

Aber es ist auch gut für den Verlag. Kein Verlag wird jemals so viel über das Verhalten der Leser*innen wissen wie ein Werbetechnologieunternehmen; aber keines dieser Unternehmen wird jemals so viel über die Inhalte eines Verlags wissen wie der Verlag. Das bedeutet, dass es für Ad-Tech sehr viel schwieriger sein wird, einen großen Teil der Einnahmen des Verlags für sich zu beanspruchen, und dass es für Verlage sehr viel einfacher sein wird, den Werbetechnikanbieter zu wechseln, wenn jemand dies versucht.

Das bedeutet, dass die Verlage einen größeren Anteil am Kuchen der kontextbezogenen Anzeigen erhalten, als wenn der Kuchen mit Überwachungsanzeigen gefüllt ist.

Aber wie sieht es mit der Größe des Kuchens aus? Werden Werbetreibende genauso viel zahlen, um Leser zu erreichen, die über den Kontext angesprochen werden, wie sie es tun, wenn das Targeting verhaltensorientiert ist?

Nicht ganz. Die besten Forschungsergebnisse, die wir bisher haben, besagen, dass Werbetreibende im Allgemeinen etwa fünf Prozent weniger für kontextbasiertes Targeting zahlen als für verhaltensorientiertes Targeting.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Verlage weniger Geld bekommen – selbst wenn die Werbetreibenden auf einem fünfprozentigen Rabatt für kontextbezogene Werbung bestehen, wird ein viel größerer Anteil der Werbeausgaben bei den Verlagen ankommen. Die größten Ad-Tech-Plattformen verhandeln derzeit um mehr als die Hälfte dieser Ausgaben, eine Zahl, die sie nur erreichen können, weil ihre Monopolmacht über Verhaltensdaten ihnen eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber den Verlegern verschafft.

Noch wichtiger ist jedoch, dass bei einer Beschränkung des Ad-Trackings auf Nutzer*innen, die dem wirklich zugestimmt haben, fast niemand mehr Werbung sehen würde, da die Nutzenden dem Tracking nicht zustimmen.

Dies wurde im Jahr 2021 deutlich, als Apple iOS, das Betriebssystem für iPhones und iPads, so veränderte, dass es einfach war, sich gegen das Tracking zu entscheiden. 96 Prozent der Apple-Nutzenden haben sich dagegen entschieden – was Facebook im ersten Jahr über 10 Milliarden Dollar an entgangenen Einnahmen kostete.

Leider verfolgt Apple seine Nutzer*innen weiterhin, um sie gezielt mit Werbung anzusprechen, auch wenn diese sich dagegen entscheiden. Aber wenn die USA endlich ein längst überfälliges Bundesgesetz zum Schutz der Privatsphäre mit einem privaten Klagerecht verabschieden und eine echte Zustimmung vor dem Tracking verlangen würden, würden die Einnahmen aus der Überwachungswerbung auf Null sinken, weil fast niemand bereit ist, verfolgt zu werden.

Dies wird durch die Erfahrungen in der EU bestätigt. Die Allgemeine Datenschutzverordnung der Europäischen Union (GDPR) verbietet die Überwachung zum Zweck der gezielten Werbung ohne Zustimmung. Die US-amerikanischen Werbegiganten haben sich zwar geweigert, diese Vorschrift einzuhalten, werden aber nun endlich dazu gezwungen.

Nicht jeder hat die Datenschutz-Grundverordnung missachtet. Der niederländische öffentlich-rechtliche Sender NPO hat nur gezielte Werbung für Nutzer*innen eingesetzt, die dem zugestimmt haben. Er hat praktisch keine gezielte Werbung geschaltet. Schließlich stellte NPO auf kontextbezogene Anzeigen um und verzeichnete einen massiven Anstieg der Werbeeinnahmen, zum Teil, weil die Anzeigen genauso gut funktionierten wie die Überwachungsanzeigen, vor allem aber, weil niemand die Überwachungsanzeigen sah, während jeder die kontextbezogenen Anzeigen sah.

Durch das Verbot von Überwachungsanzeigen werden die Überwachungsunternehmen schlechter gestellt. Aber alle anderen – Leser*innen, Journalist*innen, Verleger*innen und sogar Werbekund*innen - werden viel besser dastehen.